Migration als Normalität - Integration als beiderseitige Aufgabe

Migration als Normalität im historischen Prozess zu begreifen, fällt noch immer vielen Deutschen schwer. Während die Aufnahme von Verfolgten und Kriegsflüchtlingen eher akzeptiert wird, stoßen die so genannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ auf wenig Verständnis. Dabei wird beispielsweise ausgeblendet, dass zwischen 1820 und 1915 ca. 50 Mio Menschen Europa verließen – die weitaus meisten auf der Suche nach einem Ausweg aus ihrer wirtschaftlichen Lage und in der Hoffnung auf ein besseres Leben. In der Gegenwart ist Deutschland häufiger Ziel von Zu- als von Abwanderung und deshalb in der Pflicht, Einwanderung sowohl für die Aufnahmegesellschaft als auch für die MigrantInnen produktiv zu gestalten. Das seit Beginn des Jahres geltende neue Zuwanderungsgesetz leistet nur wenig zur Überwindung der sozialen, ökonomischen und politischen Diskriminierung von MigrantInnen.
Die fehlende rechtliche Gleichstellung von Ausländern und der Umgang staatlicher Institutionen mit MigrantInnen stellt zwar das Haupthindernis für deren Integration in die Mehrheitsgesellschaft dar, doch darf dabei nicht übersehen werden, dass MigrantInnen auch im Alltag oft eine Abwehrhaltung entgegengebracht wird. Mit einem Anteil von 1,9% an der Bevölkerung ist die Zahl der Ausländer in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben. Verständlicherweise haben deshalb nur wenige Bürger persönliche Kontakte zu MigrantInnen und nur wenig Gelegenheit, über deren reale Schwierigkeiten bei der Integration zu erfahren. Diese dürfen aber mit Recht erwarten, dass sich die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft zunächst einmal informieren und dann gemeinsam mit ihnen nach Wegen zur Integration suchen.
Dabei kann Integration nicht Assimilation beinhalten. Von der unsäglichen „deutschen Leitkultur“ möchten wohl auch nicht wenige Deutsche verschont bleiben. Integration von Minderheiten wird deren Lebensgewohnheiten und Kultur schließlich ebenso wie die der Mehrheitsgesellschaft verändern, so wie dies in früheren Jahrhunderten ständig geschah. Es liegt an uns, diesen Prozess in einer Weise zu gestalten, die die Menschenwürde der MigrantInnen respektiert. Als einen kleinen Beitrag dazu bietet der Bildungsverein Elbe-Saale an, durch Informations- und Diskussionsveranstaltungen irrationalen Ängsten entgegenzutreten und für eine progressive Interpretation des Integrationsbegriffes zu werben.


anlässlich einer Veranstaltung zum Thema
„Einwanderungsland Deutschland“ am 14.03.05 in Magdeburg mit Dr.sc.phil. Karin Rührdanz
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