Maul- und Klauenseuche (MKS)

Die Maul- und Klauenseuche ist eine akut fiebrige Erkrankung primär von Klauentieren (Rinder, Schweine, Schafe, verschiedene Wildtiere), die zyklisch mit Entwicklung der typischen Aphten (Bläschen) und Hauterosionen an den mit Plattenepithel versehenen Abschnitten der Schleimhaut des Verdauungstraktes und an unbehaarten Hautpartien verläuft. Die Inkubationszeit beträgt, in Abhängigkeit von der betroffenen Tierart, 24 Stunden bis 8 Tage. Die Erkrankungsrate ist sehr hoch (nahe 100 Prozent). Jedoch wird die natürliche Sterblichkeit bei ausgewachsenen Tieren lediglich mit 2 bis 5 Prozent angegeben. Bei Jungtieren kann die Mortalität bei ungünstigem Krankheitsverlauf wesentlich höher liegen, da das Virus unter anderem auch den Herzmuskel angreift. Bei gutartigem Verlauf beginnt die Abheilung der Hautläsionen ungefähr 2 bis 3 Tage nach dem Aufplatzen der Aphten und ist nach ca. 2 bis 3 Wochen abgeschlossen.
Erreger der Krankheit sind Aphtoviren (Familie Picornaviridae), von denen bislang sieben Typen (A,C,O - Europa; SAT 1,2,3 - Afrika; Asia 1) mit zahlreichen Subtypen identifiziert wurden. Je Seuchenzug zeichnet in der Regel jedoch nur ein Subtyp verantwortlich. Mit 23 bis 25 nm ist das Virus einer der kleinsten bekannten Krankheitserreger überhaupt.
MKS wird nicht ausschließlich durch den unmittelbaren Kontakt von Tieren untereinander übertragen, sondern gehört zu den sogenannten Zwischenträgerseuchen. Als Zwischenträger fungieren dabei nicht nur direkt von erkrankten Tieren stammende Materialien ( Fleisch, Hautpartikel, Körperflüssigkeiten, Milch etc.). Das Virus "reist" auch mittels Futtermitteln, Viehtransportern, an Schuhen und Reifen haftenden Staubpartikeln, auf dem Körper von Schadnagern und im Gefieder von Vögeln zum Teil hunderte (!) von Kilometern. Aufgrund seiner geringen Größe wird selbst eine Weiterverbreitung des Virus durch den Wind als realistisch angesehen. Das Virus ist sehr widerstandsfähig gegenüber äußeren Umwelteinflüssen. Unter für das Virus günstigen Umweltbedingungen (kühl, trocken, dunkel) kann es außerhalb des tierischen Körpers bis zu mehreren Monaten seine Infektionsfähigkeit erhalten.
MKS ist eine in den meisten Regionen der Welt immer wieder auftretende Seuche. Auch in Europa ist sie seit Jahrhunderten bekannt. Die wahrscheinlich älteste Beschreibung der Seuche stammt aus dem Jahre 1546. Der Autor Hieronymus Fractastorius beschrieb in seinem Buch eine Seuche, die 1514 ausschließlich das "Hornvieh" befiel und die ihren Ursprung in Friaul hatte. Anhand der von ihm exakt beschriebenen Symptome konnte die von ihm aufgezeichnete Seuche eindeutig als MKS identifiziert werden. Auch der hochinfektiöse Charakter und die Notwendigkeit der Absonderung befallener Tiere ist seit Jahrhunderten bekannt. Bereits 1781 verfügte Preußen laut Anordnung des "Oberkollegiums sanitatis" eine Impfung gegen MKS jeweils auf das Risiko des Tierbesitzers und ausschließlich in flächendeckend verseuchten Dörfern. Gesunde Tiere wurden bewußt mit dem Speichel erkrankter Tiere in Kontakt gebracht in der Hoffnung der Erzeugung einer nur mild verlaufenden Seuche.
In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts setzte sich in vielen Ländern Mittel- und Westeuropas das sogenannte stamping out-Verfahren (die Tötung befallener und mit erkrankten Tieren nachweislich in Kontakt gekommener Tiere) verbunden mit strikten veterinärpolizeilichen Sperrmaßnahmen und einer prophylaktischen flächendeckenden MKS-Impfung als Methode der Zurückdrängung und Bekämpfung der Seuche durch. Frankreich führte als erster europäischer Staat ab 1. April 1962 die jährliche trivalente Vakzination des gesamten Rinderbestandes ein. Das stamping out -Verfahren als Mittel der Wahl zur Seuchenbekämpfung wurde bereits damals nur für geographisch sehr begünstigte Territorien (Inseln etc.) mit einer sehr begrenzten Ein- und Ausfuhr von Lebendvieh und tierischen Produkten als nachhaltig wirksam angesehen.
Die letzten größeren Ausbrüche von MKS fanden auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik 1982 (DDR) und 1988 (BRD) statt.
1990 erfolgte mit Mehrheitsbeschluß der EU-Mitgliedsstaaten das Verbot der prohylaktischen Impfungen gegen MKS. Die BRD stimmte zum damaligen Zeitpunkt gegen diesen Beschluß; mußte sich jedoch der Entscheidung beugen. Als Begründung für die Einstellung der Impfung wurde genannt, daß sie ihren Zweck erfüllt hätte und gegen neu auftretende sogenannte "exotische" Subtypen unwirksam wäre. Seit Mitte der 90 er Jahre ist MKS auch in Europa wieder auf dem Vormarsch. Es wird inzwischen selbst von offiziellen Stellen offen bezweifelt, daß die in der seit 1991 geltenden bundesrepublikanischen Verordnung zum Schutz gegen die Maul- und Klauenseuche (einschließlich der Folgeverordnungen) aufgeführten Maßnahmen ausreichen, einen Seuchenausbruch zu verhindern bzw. im Krisenfall die Seuche bereits im Keim zu ersticken. In Anbetracht der oben bereits genannten Entfernungen, die das Virus innerhalb kurzer Zeit zurückzulegen in der Lage ist, erhebt sich beispielsweise die Frage nach der Wirksamkeit des stamping out-Verfahrens innerhalb eines 3 Kilometer im Radius umfassenden Sperrbezirkes. Die Möglichkeit der Impfung von noch nicht erkrankten Tierbeständen in einem eventuellen Seuchengebiet, die ebenfalls vorgesehen ist, würde zwar eine Rettung der Tiere bedeuten, jedoch praktisch ebenfalls zu einer weitgehenden Unvermarktbarkeit dieser Tiere führen. Das Fleisch geimpfter Tiere ist bei entsprechender Kennzeichnung für den menschlichen Verbrauch zwar prinzipiell zugelassen, darf aber in keinem Fall exportiert werden. Legt man die gegenwärtige Situation auf dem deutschen Rindfleischmarkt zugrunde, bedeutet dies de facto in den meisten Fällen den ökonomischen Totalverlust des Tieres.
Namhafte Wissenschaftler wie beispielsweise der Inhaber des Lehrstuhls für veterinärmedizinische Seuchenmedizin der Universität München, Herr Professor Kaaden votieren für die Wiedereinführung der flächendeckenden MKS-Impfung. Für ihn war die Entscheidung der EU aus dem Jahre 1990 rein ökonomisch determiniert. Einige der Hauptimporteure von EU-Rindfleisch, darunter Japan und die USA, lehnen den Import von geimpften Tieren ab, da bislang nicht eindeutig unterschieden werden kann zwischen vormals erkrankten und prophylaktisch geimpften Rindern. Japan importierte allein zwischen Januar und September 2000 für 1.477 Millionen Mark EU-Rindfleisch. Die Wissenschaftler sind sich jedoch sicher, daß es innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit möglich wäre, einen Impfstoff mit spezifischer Markierung zu entwickeln, der eine eindeutige Unterscheidung zuließe.
Ob dieser Impfstoff jedoch zum Einsatz käme, bleibt fraglich. Die gesamte gegenwärtige europäische Politik zeigt einen Trend in Richtung weitere Einschränkung des Impfens. Die Massentötung von organisch gesunden Tieren im Namen der vorbeugenden Seuchenbekämpfung ist der Preis, den inzwischen auch viele Bauern in den von der Seuche gegenwärtig heimgesuchten Regionen nicht mehr zu zahlen bereit sind. Wird die Tötung erkrankter Tiere allgemein als notwendig akzeptiert, ruft die prophylaktische Massentötung demgegenüber teilweise massiven Protest hervor. Philippe Vincent, Rinderzüchter im Departement Alliers, brachte es auf den Punkt: " Wenn sie kommen, um meine Tiere zu töten, werden sie mich zuerst erschießen müssen. Denn wenn unsere Rinder das Virus in sich tragen, habe ich es auch."
Quellen:
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Konrad, Frido-Mirko(Hrsg.): Haustierkrankheiten, Leipzig 1987
Neumann,C.: "Die Seuche wird kommen". Wie sich deutsche Behörden auf den Ausbruch der MKS vorbereiten; Der Spiegel 12/2001; S. 228
Röhrer, H: Maul- und Klauenseuche. in: Handbuch der Virusinfektionen bei Tieren, Bd. 2, Teil 1; Jena, 1967
Svoboda, E.: Maul- und Klauenseuche; wien online [20. März 2001]: Magistrat der Stadt Wien Verordnung zum Schutz gegen die Maul- und Klauenseuche vom 24. Juli 1987, geändert durch Artikel 30 der Verordnung vom 23. Mai 1991 (BGBl. I S. 1151) und die dazugehörigen Folgeverordnungen
Wedemeyer, G.: Impfen statt töten. Stern 13/2001, S. 194 f.
Wiesner, E.(Hrsg.): Wörterbuch der Veterinärmedizin; L - Z, Jena, 1991, S. 970 f.
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