Einheitsdrang und/oder Einheitszwang

Zur Vereinigung von KPD und SPD vor 60 Jahren
Eberhard Flaschel Dipl.Gesellschaftswissenschaftler

Ausgestattet mit den bitteren Erfahrungen der jahrzehntelangen Bedrückung und Verfolgung meines Vaters und unserer Familie durch das NS-Regime. Belastet mit dem lebenslangen Trauma der Erlebnisse des Zweiten Weltkrieges, machte ich – ein junger, in der politischen Arbeit noch unerfahrener Genosse der SPD – mich im Frühjahr 1946 auf den Weg von Mosigkau bei Dessau nach Halle/ Saale zum Provinzparteitag der Vereinigung von SPD und KPD. Hierzu war ich als Gastdelegierter geladen.
Der Provinzparteitag fand im traditionellen Volkspark in Halle/ Saale statt.
Aus den genannten Erfahrungen heraus, sowie aus Diskussionen mit meinem Vater, war es mir, wie auch vielen jungen Genossen aus beiden Parteien, ein ehrliches und ernstes Anliegen, die Spaltung der deutschen Arbeiterklasse und ihrer Parteien zu überwinden.
Wir alle hatten erkannt, dass die Überwindung der reaktionären Strukturen Deutschlands, (dieser grundlegenden Ursache beider Weltkriege und der darausfolgenden Verelendung des einfachen Volkes) langfristig nur im gemeinsamen und einheitlichen Kampf zu erreichen sind. Eine historische Aufgabe, ohne die eine dauerhafte Überwindung der bedrückenden Macht des internationalen Finanzkapitals und im weitesten Sinne auch des Militärisch-Industriellen-Komplexes (MIK) nicht zu erreichen ist. Nur so kann eine soziale Befreiung des deutschen Volkes und anderer Völker erreicht werden.
Was ich damals noch nicht einzuschätzen vermochte, war die Tatsache, dass dies ein längerdauernder Prozess sein müsste, der aber unter den damaligen Umständen, der tiefen nationalen Spaltung nicht erfolgreich verlaufen konnte. Zuspitzend und zunehmend unüberwindlich entwickelte sich auch das Verhältnis der Deutschland kontrollierenden Besatzungsmächte in Ost und West.
Eine gesamtdeutsche und vor allem für lange Zeit erforderliche ideologische Klärung der gegensätzlichen Meinungen in der deutschen Arbeiterbewegung als notwendige Voraussetzung für einen echten organisatorischen und politischen Zusammenschluss war unter diesen Bedingungen nicht möglich.
Schon im Verlauf des Provinzparteitages habe ich, als dann überraschend in den Parteivorstand gewählter paritätischer Jugendvertreter, der neuen Einheitspartei, gespürt, wie tief die ungeklärten Differenzen zwischen der SPD und der KPD und auch innerhalb dieser Gruppierungen waren. Als Zuhörer in den Pausen und auch am Mittagstisch, wie z.B. mit dem späteren Ministern Wolfram Tape und anderen, bekam ich das mit.
Sehr bald erkannte ich dies als ein großes Hindernis des Zusammenwachsens.
Das zeigte sich mir auch einige Monate später, (1947), als ich mit solchen Gegensätzen im zweiten 6-Monatslehrgang an der Parteihochschule
„Karl Marx“ in Liebenwalde die Seminardiskussionen verfolgte.
Der Verlauf der Geschichte und seine heutigen Ergebnisse sind bekannt. Das ehrliche Bemühen unserer damals jungen Genossen ist am Ende eines langen, schmerzlichen Weges gescheitert.
Erforderlich ist es, einen friedlichen, möglichst gewaltfreien Weg zur Überwindung der Vorherrschaft des internationalen Finanzkapitals und des MIK zu finden, um die immer mehr auseinanderklaffende Schere zwischen arm und reich zu schließen.
Nur so wird es möglich sein, Bedingungen zu schaffen, in denen langfristig die modernen Errungenschaften der Wissenschaften, der Technik, Chemie, Kultur, Kunst usw. allen Menschen unserer Erde zugänglich zu machen. Damit sie von allen anteilmäßig gleichermaßen zum eigenen Wohle friedlich genutzt werden können.
Unter bewusster Ausnutzung aller heute gegebenen Möglichkeiten in der bürgerlichen Demokratie und ihrer „Freiheiten“ ist ein solcher, beharrlich und zielstrebig verfolgter Weg möglich und notwendig. Eine große, unerlässliche Aufgabe unserer politischen Enkel und Urenkel.
Das sind meine im 88. Lebensjahr gewonnenen Lebenserfahrungen und die Schlussfolgerungen aus dem reichhaltigen, oft sehr widersprüchlichen Erfahrungsschatz von 60 Jahren aktiver politischer Arbeit für den Frieden.

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