Im Osten Deutschlands vollzieht sich demographische Schrumpfung als Überlagerung verschiedener Teilprozesse in Form eines „Springfluteffektes“. Auch hier wird schon in der 2. Generation die einfachen Reproduktion unterschritten, obgleich das in dieser Region größtenteils nicht so dramatisch ausfiel, als in verschiedenen Vergleichsgebieten. Spätestens seit Mitte der 1960er Jahre erlebt der Raum zudem nach verschiedenen sozialen Kennziffern und räumlichen Mustern selektive Abwanderung. Die demographischen Merkmale der Residualbevölkerung, die nach der Abwanderung in den entleerten Räumen verbleibt, sind nicht nur demographisch, sondern auch soziologisch relevant:
Überproportionale Männerüberschüsse im demographisch aktiven Alter sowie räumlich variante Qualifikationsdefizite stehen im Zentrum eines interdisziplinären Ansatzes von Demographie, Soziologie und Geographie.Die bisherige Analyse erbrachte aus wissenschaftlicher Perspektive einige weitere, originäre Erkenntnisse zum Thema. Dabei wird ganz bewusst von der Position abgehoben, dass die Kenntnisse über den demographischen Wandel und seine Mechanismen mittlerweile zum allgemeinen Erkenntnisgut gehören. In der Realität ist das eben nicht so! – Hier hat das Thema auf jeden Fall die Aufgabe der Produktion von Wissen zum Zweck der Qualifikation: Unserer Politiker im Land und in den Kommunen. Vor allem letzteres ist noch vorzubereiten.
Zu ausgewählten Ergebnissen, z.T. kleinräumig / gemeindescharf (!):Die demographischen Erosionsprozesse mit stärkster selektiver Wirkung konzentrieren sich auf das Berufseinstiegsalter. In dieser Altersgruppe findet zuwar annähernd eine „Gesamt-migration“ statt, die vielfach in nur 7 Jahren fast 50% des Gesamtbestandes betrifft, aber die überproportionale Abwanderung junger Frauen betrifft vor allem die Altersgruppe der 18-21-jährigen. In diesem Alter verschoben sich in der Kohorte der Geburtsjahrgänge 1973-77 die natürlichen Männerüberschüsse von ca. 6% auf z.T. über 20% (Mansfelder Land).
In dieser Kohorte, welche noch eine stärkere DDR-Prägung hatte, vollzog sich die Abwanderung noch etwas „gleitend“, nicht so scharf akzentuiert mit dem Eintritt in den neuen Lebensabschnitt. Jüngere Jahrgänge (Geb. 1978-82) konzentrieren sich stärker auf eine kürzere Lebensphase; die Lebensläufe homogenisieren sich hinsichtlich der Migration als flächendeckender Prozess.
Daraus könnte abgeleitet werden, dass sich das Wanderungsverhalten der nächsten Gruppen diesbezüglich noch stärker von vorherigen Restriktionen befreit realisiert, was natürlich
z.T. spekulativ ist, aber auch einen Ansatz für bildungspolitische Strategien birgt.
Regionale Ausnahmen sind jene Städte und Gebiete, in denen junge Frauen einerseits ein Angebot finden, das intellektuellen Ansprüchen genügt (Universitätsstandorte), auch in deren Umfeld, als auch stärker touristisch geprägte Gebiete (Harz).
Mittlerweile liegen die ersten Karten vor, die eine relativ gute Aussage zur räumlichen Streuung der demographischen Potentialverschiebung gestatten. Es ist zu empfehlen ist, dass sich diesbezüglich auch Regionalpolitiker bzw. Vertreter einzelner Kreise mit genauerer / konkreter Ortskenntnis mit dem Material befassen.