Veranstaltungen des Bildungsverein`s Elbe-Saale im Mai 2005

Halle 02.05.05 14.30 Uhr
Rio de Janeiro – eine Stadt und ihre Menschen
Referentin: Dr. habil Viola Schubert-Lehnhardt  
Ort: Bürgerhaus „alternativE“,Gustav-Bachmann-Str. 33, Halle


Magdeburg 04.05.05 10.00 bis 18.00 Uhr
Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen und deren Widerspiegelung in der Gedenkkultur
Konferenz mit

Curt Becker Justizminister
Prof. N. Paech  
Prof. Chr. F. Rüter  
Jupp Gerats IVVdN LSA
Carlos Foth ehem.Generalstaatsanwaltschaft der DDR
Kurt Schrimm Zentralstelle für die Aufklärung von NS-Verbrechen, Ludwigsburg
Wulf Gallert MdL
Gudrun Tiedge MdL
Ort: Roncalli-Haus, Max-Josef-Metzger Str. 12/13, 39104 Magdeburg
Anmeldung erforderlich

Halle 09.05.05 18.30 Uhr
„Polen und Tschechien in der EU: Welche Erfahrungen gibt es?“
Referent: Dr. Holger Politt  
Ort: Neues Theater, Lesesaal, Gr. Ulrichstr. 51, Halle


Salzwedel 10.05.05 19.00 Uhr
Jesus und Mohammed: Unterschiede und Gemeinsamkeiten zweier Religionsstifter
Referent: Wolfram Tschiche Philosoph, Klinke
Ort: Kreisvolkshoschule Salzwedel, 29410 Salzwedel, Karl-Marx-Str. 32
Zum Inhalt:

Im Rahmen des islamisch- christlichen Dialogs ist u. a. die Frage, wer Jesus ist - Prophet oder darüber hinaus Sohn Gottes - von zentraler Bedeutung. Bisher lautete der entscheidende christliche Einwand: Der Islam bestreitet die beiden miteinander zusammenhängenden Lehren der Christentums: Dreieinigkeit (Trinität) und Menschwerdung Gottes (Inkarnation). Dabei haben die Christen und christlichen Theologen - zumindest in der Vergangenheit -zu wenig die Tatsache ernst genommen, daß der Islam die einzige Weltreligion außer dem Christentum ist, die in ihrer Heiligen Schrift - dem Koran - ein durchaus positives Zeugnis über Jesus enthält. Außerdem wurde Mohammed - für Muslime selbstverständlich inakzeptabel - durch Christen über Jahrhunderte hinweg als "falscher Prophet" diskreditiert.
Wie also sehen Muslime Jesus und Christen Mohammed? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind für die beiden Religionsstifter zu verzeichnen? Welche Chancen für ein friedfertiges Gespräch zwischen den Vertretern dieser beiden monotheistischen Religionen lassen sich ausmachen?


Magdeburg 11.05.05 15.00 Uhr
Präsentation der Neuauflage des Buches: „Gedenkorte für die Opfer des Nationalsozialismus im Regierungsbezirk Magdeburg“
Anmeldung erforderlich
Festveranstaltung mit
Prof. Heinrich Fink  
Werner Binger  
Pascal Begrich  
Gemeinsame Veranstaltung mit dem KIZ
Ort: KIZ, Ebendorfer Str. 3, 39108 Magdeburg


Halle 11.05.05 15.30 Uhr
Buchlesung „Chinafieber“
Referent: Dr. Wolfram Adolphi  
in Kooperation mit dem humanistischen Verband
Ort: Halle, Bürgerhaus „alternativE“ Gustav-Bachmann-Str. 33


Halle 11.05.05 18.00 Uhr
„Europa im Kampf“. Internationale Lager-Poesie aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück
Szenische Lesung von Dr. Konstanze Jaiser und Jacob David Pampuch  
im Rahmen der Europawoche
Ort: Halle, Neues Theater, Lesesaal, Gr. Ulrichstr. 51


Halle 12.05.05 14.30 Uhr
„Widerstand der Stille – Frauen an der Seite der Männer des Kreisauer Kreises“
Referentin: Dr. Christel Gibas  
Ort: Halle, Bürgerladen, Falladaweg 9


Halle 16.05.05 18.30 Uhr
Alternative Steuer- und Wirtschaftspolitik – Vorschläge zur Senkung der Arbeitslosigkeit
Referent: Ansgar Rannenberg  
zusammen mit attac Halle
Ort: Halle, Neues Theater, Lesesaal, Gr. Ulrichstr. 51


Magdeburg 19.05.05  
Am 4. Mai 1930 – vor 75 Jahren – wurde die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB)gegründet.
mit: Prof. Dr. Heinz Deutschland Berlin
Gemeinsame Exkursionsfahrt des Bildungsvereins Elbe-Saale e.V. und des DGB-Region Magdeburg/Altmark
Anmeldung erforderlich
Ort: nach Bernau bei Berlin


Halberstadt 22.05.05  
Seminar zum Umgang mit der NS-Euthanasie
Referent: Prof. Wolfgang Benz  
als Seminar und Lehrerfortbildungsveranstaltung
Ort: Moses-Mendelssohn-Haus, Halberstadt


Magdeburg 23.05.05 15.00 Uhr
Wird die Bundeswehr zum Weltumsegler? Welche Einsätze nun noch?
Referent: Horst Blanke  
Ort: Ebendorfer Str. 3, 39108 Magdeburg


Salzwedel 23.05.05  
"Welche Haltung haben Christen und Kirchen zu den Menschenrechten?"
Referent: Wolfram Tschiche Philosoph, Theologe; Klinke
Ort: Lessing- Sekundarschule, Lindenallee 29, 29410 Salzwedel
Zum Inhalt:

Die christlichen Kirchen - die protestantischen und die katholische - waren während und nach der Französischen Revolution heftige Gegnerinnen der Menschenrechte, weil sie diese unmittelbar verbunden sahen mit dem Atheismus und der "gottlosen" Rebellion. Nach dem Zweiten Weltkrieg - angesichts der damit zusammenhängenden Greultaten - entwickelten sich die Kirchen zu entschiedenen Befürwortern einer internationalen Menschenrechtspolitik. Christliche Theologen verwiesen zum einen auf die u.a. biblischen Wurzeln der Menschenrechte und suchten zum anderen nach Modellen, die es erlaubten, das geistige Profil der Menschenrechte in das theologische Denken zu integrieren. Darüber hinaus engagierten sich Christen weltweit für die Menschenrechte und wurden dabei oftmals von kirchlichen Institutionen unterstützt.

Anmeldung erforderlich

Halle 25.05.05 15.30 Uhr
Humanität und Gewalt – ist Albert Schweitzers Ethik gescheitert?
Referent: Prof. Dr. E. Luther  
in Kooperation mit dem humanistischen Verband
Ort: Halle, Bürgerhaus alternativE, Gustav-Bachmann-Str. 33


Magdeburg 25.05.05 19.00 Uhr
Venezuela. Welcome to our Revolution
Referent/innen: zwei Personen von P.I.S.O. 16 (München)
Buchvorstellung mit anschließender Diskussion
Ort: Projekt 7 - Campustheater (Magdeburg)

Seit 1998 befindet sich Venezuela in einem politischen Umbruch. Im Rahmen dieses "bolivarianischen Prozesses" wird um neue Formen politischer Repräsentanz, alternativer Ökonomie und sozialer Rechte gerungen.
Das Buch "Venezuela. Welcome to our Revolution." will über die Erfolge, Beschränkungen und inneren Widersprüche dieses Prozesses informieren. Aber vor allem sollen die Motivationen und Perspektiven derer dokumentiert werden, die die Protagonistinnen und Protagonisten dieses Umbruchs sind: Leute aus Basisorganisationen, sozialen und politischen Netzwerken, gewerkschaftlichen und bäuerlichen Strukturen, alternativen Medien und Sozialprojekten. Den Schwerpunkt unseres Buches bilden 18 Interviews, die im September 2004 in Venezuela geführt wurden.



Halle 28.05.05 ab 08.00 Uhr
Exkursion zur Ausstellung „Im Gefolge der SS: Aufseherinnen des Frauen-KZ Ravensbrück“
Anmeldung erforderlich
in Kooperation mit Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthanasie und dem Projekt FrauenOrte des Courage e.V.
Treffpunkt: Halle, Salzgrafenstraße (Hallmarkt)


Diskussionsveranstaltung mit Prof. Dr. Kurt Pätzold, Historiker (Berlin) zum Thema: „Vom d-day zum Tag der Befreiung – Fragen an die deutsche Geschichte“ in Köthen von Dr. Horst-Georg Richter, Historiker, Köthen

Der Referent eröffnete seinen Beitrag mit der Feststellung, dass sich das Verhältnis der Deutschen zur Geschichte in zwei Richtungen polarisiert: Einerseits verhalten sie sich gegenüber ihrer Geschichte ignorantenhaft und sie sind andererseits geschichts-versessen. Dabei haben bestimmte TV-Produzenten beim Versuch, filmisch-dokumentarischer Bearbeitungen historischer Themen zuweilen die Tendenz, Darstellungen zu bieten, die Medienkonsumenten vordergründig durch einen Schuss Grusligkeit und spektakuläre Bilder anziehen sollen.
Seit dem 50. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus 1995 hat sich die Diskussion um die damit verbundenen Ereignisse intensiviert. Nach Kurt Pätzold spielten dafür folgende Entwicklungen eine Rolle:
Unter dem Eindruck der Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung wurde diese Diskussion zunehmend kontroverser geführt. Die Ausstellung hob die These von den Deutschen als Tätern stärker ins öffentliche Bewusstsein. Dabei, bemerkte der Referent, kam dieses Ergebnis ohne neue geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse zustande. Das Dargestellte war bereits früher publiziert worden.
Der Streit um die Entschädigung der Zwangsarbeiter, die während der national-sozialistischen Diktatur ausgebeutet wurden, beeinflusste die Diskussion und schließlich führte die um den Jahrestag der Schlacht um Stalingrad, ihrer Vorgeschichte und Folgen geführte Debatte zu einer weiteren Intensivierung dieser Diskussion.
In der Folgezeit wurden Publikationen veröffentlicht, die ihrem eigenen Anspruch nach Tabus brechen und neue Akzente setzen wollten, wie Georg Friedrichs Buch „Der Brand“ zum Bombenkrieg.
Kurt Pätzold machte auf einen damit verbundenen Paradigmenwechsel aufmerksam, bei dem aus Tätern Opfer gemacht werden sollen. Dies wird deutlich in Auffassungen, die unabhängig vom Charakter des Krieges der kriegsführenden Seiten davon sprechen, Opfer sind Opfer, Tod ist Tod, Massaker ist Massaker. Bleibt man bei dieser vor allem emotional geprägten Sicht stehen, werden wichtige Ursachen, Hintergründe und historische Zusammenhängen ausgeblendet. Eine solche Sicht verstellt die Möglichkeit, die Frage zu beantworten, w i e die Menschen zu Opfern o d e r zu Tätern wurden.
Auf einen wesentlichen historischen Zusammenhang, der frühzeitig die Entwicklung in Richtung Opfer bzw. Täter nach sich zog, verwies der Referent: Es waren die Erfolge der NSdAP vor 1933 in weiten Teilen Deutschlands, die diese bei Wahlen durch die für sie abgegebenen Stimmen deutscher Wähler erzielten. Mit diesen Stimmen konnte sich Hitler schließlich etablieren. Kurt Pätzold kommt zu dem Schluss, dass die Deutschen zwar später selbst zu Opfer wurden, aber zu einem bedeutenden Teil am Zustandekommen der Situation, die sie zu Opfern werden ließ, Schuld trugen. Er machte aber auch klar, dass die individuellen Motive für Handlungen, die das Naziregime objektiv begünstigten, durch das Streben nach Sicherung der eigenen Existenz motiviert wurden. Dabei sind ebenfalls die Zutreiberdienste von wesentlichen Teilen der großen Kirchen in Deutschland für die Nazis zu berücksichtigen.
Im Weiteren wandte sich Kurt Pätzold Begriffen zu, die insbesondere in den Medien Verwendung finden, um die Ereignisse um das Ende eines Kapitels deutscher Geschichte zu umschreiben. Kriegsende, Kapitulation, Stunde-Null, Zusammenbruch bis hin zum Begriff Befreiung haben für ihn in einem jeweiligen konkreten Zusammenhang ihre Berechtigung. So ist Kapitulation u. a. ein Begriff des Völkerrechts, Kriegsende die Beschreibung eines Zeitpunktes, verbunden mit der Änderung in einer Ereignisfolge usw.
Bezogen auf deutsche Nachkriegsgeschichte hat sich in der DDR der Begriff der Befreiung bis hinein in die Schulbücher durchgesetzt. In der BRD wurde er vorwiegend abgelehnt. Erst 1985 sprach der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einer Gedenkansprache von einer Befreiung und bestätigte 2005 in einem Interview diese Auffassung.
Befreiung wurde in folgenden Richtungen von Richard von Weizsäcker gesehen:
Befreiung vom Bombenkrieg, der sich auch gegen die deutsche Zivilbevölkerung richtete, und eine ständige Lebensbedrohung für sie darstellte; der Befreiung der Verfolgten, Häftlinge und Kriegsgefangenen. Schließlich erfolgte eine Befreiung der deutschen Soldaten von der Gefahr, im Gefolge eines militärischen Befehls in eine Schlacht ziehen zu müssen und einen sinnlosen Tod zu finden.
Kurt Pätzold stellte fest, dass seiner Ansicht nach diese inhaltliche Darstellung zur Befreiung um folgende Aussage erweitert werden muss: Sie kennzeichnet die Beendigung einer Zeit, in der Deutschland die schändlichste Rolle in seiner Geschichte gespielt hat. (Brecht: Deutschland, bleiche Mutter, wie sitzt du besudelt unter den Völkern…).
Gegen die Verwendung des Begriffs Befreiung wurden diverse Einwände vorgebracht. Dazu gehören: Wie können sich Deutsche als Flüchtlinge, Kriegsgefangene oder in Angst vor den Konsequenzen einer bevorstehenden Entnazifizierung befreit gefühlt haben?
Die alliierten Soldaten, die nach Deutschland kamen, erfüllten einen Kampfauftrag, sie wollten siegen und so schnell als möglich in die Heimat zurückkehren. Sie fühlten sich dabei kaum als Befreier. Diese aus vor allem emotional geprägter Sicht vorgetragenen Einwände sind nachvollziehbar, erschweren aber, da sie auf Befindlichkeiten abzielen, eine historische Wertung der Ereignisse und daraus ableitbare Lehren.
Pätzold stellte fest, dass der Jahrestag der Operation Overlord (d-day) zum Anlass genommen wurde, die Ansicht zu verbreiten, dass die eigentliche Befreiung von der Normandie aus erfolgte.
Die Konsequenz aus der Leugnung einer Befreiung Deutschlands führte dann in ihrer differenzierenden Weiterführung zu der These: Vom Westen kamen die Befreier, vom Osten die Besatzer. Dies ist aber schlicht eine Entstellung der historischen Tatsachen. Die Befreiung begann für den Referenten mit der Rückeroberung des ersten von der Hitlerwehrmacht besetzten russischen Dorfes durch die Sowjetische Armee und endete im Mai 1945 auf deutschem Boden.
In der sich anschließenden Diskussion verwies der Referent auf eine Reihe von medialen Versuchen, Emotionen als eine Art Tor für Leihen zum Einritt in die Geschichte zu wecken. Er betonte, dass solche Emotionen instabil sind und nicht selten umkippen können. Wissenschaftliche Analysen und daraus ableitbare Schlussfolgerungen ersetzen sie in keinem Fall.




11. April 1945 – 11. April 2005: 60 Jahre Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald von Pascal Begrich, Historiker (M.A.), Magdeburg

April 1945. Das faschistische Deutschland steht kurz vor dem Zusammenbruch. Sechs Jahre lang haben die Deutschen Europa mit einem Vernichtungskrieg überzogen. Jetzt befreien die Alliierten der Antihitler-Koalition nach und nach Millionen von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen sowie Hunderttausende Häftlinge in den Konzentrationslagern, die von den Nationalsozialisten noch nicht ermordet wurden. Am 11. April erreicht die 6. Panzerdivision der 3. US-Armee das Konzentrationslager Buchenwald. Nach der Flucht der SS besetzen Häftlinge des Lagerwiderstandes noch während der Kämpfe die Türme und übernehmen die Ordnung und Verwaltung des Lagers. 21.000 Häftlinge können sich so in Buchenwald noch vor Ankunft der US-Armee selbst befreien. Auf der Trauerkundgebung für die Tausenden von ermordeten Häftlingen des KZ Buchenwald schwören die Überlebenden am 19. April vor aller Welt: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“
Im 60. Jahr nach der Befreiung des KZ Buchenwald durch den internationalen Lagerwiderstand bereiteten am 09. April 2005 11 Jugendliche in einem Seminar des Bildungsvereins Elbe-Saale e.V. die Fahrt nach Buchenwald und die Teilnahme an der Gedenkkundgebung des Internationalen Buchenwald-Komitees vor. Die Jugendlichen setzten sich zunächst mit der Geschichte des KZ Buchenwald und seine Befreiung auseinander. Im Anschluss wurde über Möglichkeiten des Gedenkens an die NS-Verbrechen und die Konsequenzen für die Gegenwart diskutiert. Dabei kamen insbesondere die verschiedenen Konzepte der Erinnerungsarbeit in der Gedenkstätte Buchenwald in der DDR und im vereinigten Deutschland zur Sprache.
Nach dem Ende der DDR wurde der Antikommunismus quasi zu einer inoffiziellen Staatsdoktrin erhoben. Die Ansätze zur Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft sollten für immer diskreditiert werden. Die DDR wird pauschal als Unrechtsstaat bezeichnet und im Rahmen der Totalitarismustheorie in einem Atemzug mit der NS-Diktatur genannt. Diese Versuche zur Delegitimation der ostdeutschen Geschichte zwischen 1945 und 1989 betreffen auch die Sichtweisen der DDR auf den Antifaschismus, die vor allem den (kommunistischen) Widerstand gegen den Faschismus betonten und die eigene Gesellschaft in diese Tradition stellten. Mit dem Aufbau eines sozialistischen Staates – so glaubte man – sei der Faschismus, der auf eine Herrschaftsform des Kapitalismus reduziert wurde, in der (ost-) deutschen Gesellschaft verschwunden. Das sichtbarste Symbol für diesen Antifaschismus war die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald. Hier verband sich das Selbstverständnis der DDR als antifaschistischer Staat mit der weithin sichtbaren Erinnerung an das Leiden und den Kampf der KZ-Häftlinge.
So verwundert es nicht, dass gerade an der Gestaltung der Gedenkstätte Buchenwald der erbitterte Streit um die Interpretation des Nazismus und den Antifaschismus entbrannte. Dabei wurden von bürgerlicher Seite aus nicht nur die einseitige Erinnerungspolitik und Tendenz zur Heroisierung des antifaschistischen Widerstands in Frage gestellt, sondern der Widerstand der Häftlinge von Buchenwald als Kollaboration verleumdet und der Akt der Selbstbefreiung konsequent geleugnet. Dies fand in der Umgestaltung der Ausstellungen der Gedenkstätte Buchenwald und der faktischen Ausgrenzung der ehemaligen Häftlinge bei den jährlichen Gedenkfeiern ihren Ausdruck.
Geschichte wird aus konkreten Geschichten konstruiert, die sich nicht einfach verdrängen lassen. So bleibt jenseits aller Mythenbildung – zwischen dem Sieg der Häftlinge von Buchenwald über ein intaktes Lagerkommando und der Diskreditierung bzw. Leugnung des Widerstandes – die Erinnerung der ehemaligen Häftlinge bestehen. Jorge Semprun, Teilnehmer am Lagerwiderstand in Buchenwald hat es in seinem Roman ‚Was für ein schöner Sonntag!’ auf den Punkt gebracht:
„Sicherlich stellst du nicht in Abrede, dass der bewaffnete Aufstand keine militärische Heldentat gewesen ist, er hat den Verlauf des Krieges nicht geändert. […] Du weißt es genau, […] dass alle bewaffneten Aufstände dieser Art vor allem eine politische und moralische Bedeutung haben. […] Das Wichtige war nicht so sehr, dass einige Dutzende von Gefangenen das Gebiet in dem Augenblick besetzten, in dem die SS-Männer überstürzt die Wachtürme und Kasernen zu räumen begannen, […] das Wichtige war, wenn auch nur für wenige Stunden, aus der Fatalität der Knechtschaft und der Unterwerfung auszubrechen. An diesem Tag in Buchenwald lag nicht die Macht vor den Mündungen eurer Gewehre, das weißt du genau: es war die Würde, die vor den Mündungen eurer Gewehre lag. Wegen dieser Würde, wegen dieser Vorstellungen vom Menschen hattet ihr überlebt.“
Jetzt, 60 Jahre nach der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald, gibt es nur noch wenige Überlebende, die ihre Geschichte erzählen können und damit dem totalitären Zeitgeist etwas entgegensetzen. Daher liegt es an uns, in Zukunft die Erinnerung wach zu halten und weiterzugeben.


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